Impact Investing: Was bringt das wirklich? (2024)

Immer mehr Anleger wollen die Welt verbessern und trotzdem Rendite machen. Impact Investing verspricht genau das. Aber kann man sich darauf verlassen?

Rendite und Wohltätigkeit, diese Wörter las man früher selten in einem Satz. Wer an der Börse oder mit anderen Investments Gewinn einheimst, so die einst verbreitete Vorstellung, mache die Welt höchstens schlechter, keinesfalls aber besser. Heute kommen einem solche Parolen seltener unter. Denn der Markt nachhaltiger Geldanlagen wächst rapide und mit ihm die Zuversicht vieler Anleger, dass ihr Geld nicht zwingend in „schmutzige“ Firmen fließen muss, um Gewinn abzuwerfen. Es gibt reichlich Alternativen: „Grüne“ Aktienfonds oder Anleihen zum Beispiel, die unethische oder klimaschädliche Unternehmen bewusst ausschließen. Noch viel weiter geht das Impact Investing, zu Deutsch: „wirkungsorientiertes Investieren“. Anleger sollen mit ihrem Geld nicht nur Rendite machen, sondern auch aktiv an Verbesserungen mitwirken. Impact Investing verspricht, einen positiven, messbaren Einfluss zu nehmen durch Geschäftsmodelle, die nicht nur Schlechtes vermeiden, sondern auch Gutes vorantreiben.

„Drängende Probleme lösen“

Dieser Anspruch scheint immer mehr Investoren zu begeistern. 1,16 Billionen USD sollen weltweit inzwischen im Bereich des Impact Investing mittlerweile verwaltet werden. Das schätzte zuletzt das Global Impact Investing Network (GIIN). 2019 ging die Organisation noch von 636 Milliarden USD aus. Die International Finance Corporation (IFC) rechnet sogar mit einem globalen Marktvolumen von über 2 Billionen USD. Auch wenn das immer noch ein Bruchteil des gesamten weltweit verwalteten Vermögen ist (mehr als 100 Billionen USD): Der Markt gewinnt Anhänger.

Einige dieser Anhänger hat die Bundesinitiative Impact Investing (BII) in ihrer jüngsten Marktstudie von 2022 genauer unter die Lupe genommen. Konkret befragte sie 225 Impact Investoren zu ihren Investment-Ansätzen, Motiven und Anlagestrategien. Unter den Teilnehmern befanden sich neben einigen Privatanlegern auch Family-Offices und Stiftungen sowie Vermögensverwalter, Finanzinstitute und Impact-Fondsmanager, die das Geld ihrer Kunden anlegen. Der Studie zufolge spielen die Themen Energie, Umwelt und Gesundheit bei den Akteuren die größte Rolle. Den meisten ginge es außerdem darum, „drängende soziale und ökologische Probleme zu lösen“. Allerdings: Auf die Rendite verzichten möchte die Mehrheit der Befragten auch nicht, wie die Umfrage ebenfalls ergeben hat. Wirtschaftliche Motive nannten immerhin 36% der Impact Investoren als Mitgründe für ihr Engagement, aber nicht als treibenden Faktor.

Veränderungen in der realen Welt

Die Absicht, aktiv einen Beitrag zu leisten, hebt das Impact Investing von anderen Formen der nachhaltigen Geldanlage ab. Zum Beispiel von der beliebten Praxis, grünen Finanzprodukten ein ESG- oder SRI-Label zu verpassen und sie damit als nachhaltige Geldanlagen zu klassifizieren. ESG steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, SRI fokussiert sich vorwiegend auf soziale Ziele. Auch wenn SRI-Anlagen als etwas strenger gelten als ESG-Produkte, ist die Wirkung in beiden Fällen doch begrenzt. Viele ESG- oder SRI-Fonds entstehen lediglich dadurch, dass „schlechte“ Firmen ausgeschlossen werden. Das heißt, man vermeidet zwar Investitionen in als verwerflich geltende Branchen oder Unternehmen, erzielt aber auch keinen positiven Effekt. In einigen Fällen werden konventionelle Produkte, also beispielsweise Aktienfonds, nach der Best-in-Class-Methode umgemodelt. Dabei pickt der nachhaltige Fonds die jeweils nachhaltigsten Unternehmen seiner Branche heraus, sodass unter Umständen auch ein Goldminenbetreiber oder ein Rüstungskonzern seinen Weg in den Fonds schafft.

Impact Investments beabsichtigen, sich davon nun abzusetzen und gezielt solche Unternehmen und Geschäftsideen fördern, die auch tatsächlich Verbesserung anstreben. Beispielsweise, indem sie neue Systeme zur Vermeidung von CO₂ entwickeln oder an Lösungen arbeiten, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Der Fokus kann auch auf der Durchsetzung von Menschenrechten oder verbesserten Arbeitsbedingungen liegen, auf dem Bau von Wasserstoffanlagen oder dem Optimieren von Windrädern.

Je höher das Risiko, desto größer der Effekt

Investoren können über verschiedene Wege Impact Investing betreiben. Am einfachsten geht das über die Börse. Es gibt mehrere Indizes, die nur solche Unternehmen abbilden, die angeben, mit ihrer Geschäftsidee die Welt besser oder gerechter zu machen. Der MSCI World Womens Leadership etwa versammelt ausschließlich Unternehmen, die in ihren jeweiligen Ländern zu den Fortschrittlichsten gehören, was die Integration von Frauen in Führungspositionen angeht.

Aktien: Keine direkte Wirkung

In so einen ETF oder aktiven Fonds lässt sich ohne größere Mühen investieren. Doch die Bequemlichkeit hat ihren Preis. Denn wie viel des eigenen Kapitals letztlich bei der Firma ankommt, kann niemand so genau sagen. Schließlich verdient bei einem Aktienkauf an der Börse erst einmal nur ein anderer Marktteilnehmer, der einem das Papier gerade verkauft hat. Zwar kann man argumentieren, dass ein steigender Aktienkurs dem Unternehmen langfristig einen Vorteil verschafft. Die Wirkung von nachhaltigen Aktien- und Aktienfonds auf die Realwirtschaft dürfte dennoch eher indirekt sein. Dafür bieten Aktien jedoch ein Stimmrecht, die Anteilseigner können sich also über Diskussionen auf Hauptversammlungen für ihre Positionen einsetzen.

Beim Kauf von Anleihen ist die Wirkung schon direkter. Anleger können zum Beispiel Anleihen bestimmter Unternehmen kaufen oder aber in grüne Staatsanleihen investieren, in sogenannte Green Bonds. Irland, die Niederlande, Polen und seit 2020 auch Deutschland haben solche Anleihen ausgegeben, um mit dem Geld der Anleger nachhaltige Projekte zu finanzieren.

Totalverlust ist möglich

Sehr viel mehr Risiko geht ein, wer Unternehmen über Private Equity, also privates Beteiligungskapital unterstützt. Vor allem dann, wenn das Geld lediglich in ein einziges Unternehmen fließt. Doch selbst Private Equity Fonds, die das Kapital über mehrere Firmen verteilen, schützen nicht gänzlich vor dem Totalverlust, da sie häufig nur ein paar Dutzend Positionen umfassen. Noch dazu liegt der Mindestanteil an solchen Fonds nicht selten bei 100.000€ oder mehr, was die Anlageklasse für den Otto-Normal-Anleger eher ausschließt. Jedoch: Das Geld kommt dort an, wo es hin soll und kann dadurch tatsächlich positives bewirken. Viele Private-Equity-Gesellschaften legen daher inzwischen ihren Fokus auf Impact Investings.

Gleiches gilt für geschlossene Fonds, die jedoch nicht minder risikoreich sind. Die Stückelung ist zwar häufig geringer, es reichen teilweise 10.000€, um beispielsweise einen Anteil an einem Solar- oder Windenergie-Fonds zu erwerben. Doch liegt das Geld einmal im Fonds, lässt es sich nur schwer oder mit Verlusten wieder herausbekommen. Hinzu kommt: Das investierte Kapital gilt nicht wie in Aktienfonds als Sondervermögen. Bei einer Pleite des Emittenten wird es der Insolvenzmasse zugerechnet. Für Investoren bedeutet das häufig den Totalverlust.

Wem es nun aber eine Herzensangelegenheit ist, mit seinem Geld Gutes zu tun, der möchte das Risiko vielleicht dennoch eingehen. Die große Frage ist nur: Wie viel Gutes wird wirklich bewirkt?

12,5% messen die Wirkung nicht

Die Welt der Impact Investings schleppt ein Problem mit sich herum. Und es ist das gleiche, mit dem auch das restliche Universum an nachhaltigen Finanzprodukten zu kämpfen hat. Es fehlt an Einheitlichkeit. Und das macht es teilweise zu einem Ding der Unmöglichkeit, die Produkte auf ihre Wirksamkeit zu prüfen.

Gemessen und dokumentiert wird durchaus. In der Umfrage der Bundesinitiative gaben knapp 71% der Impact-Investoren an, die positive Wirkung ihrer Assets anhand definierter Key Performance Indicators zu messen, also anhand von Schlüsselkennzahlen, die Erfolg und Fortschritt untersuchen. Auf möglicherweise negative Auswirkungen schauen jedoch nur 29% der Teilnehmer. Das heißt: Wer beispielsweise in einen Impact-Fonds investiert, kann in den meisten Fällen nicht sicher sein, dass nicht gleichzeitig auch “schmutzige” Geschäfte mitfinanziert werden, die den positiven Effekt möglicherweise wieder aufheben.

Impact Investing: Was bringt das wirklich? (1)

Die wohl erschütterndste Erkenntnis ist aber: 12,5% der befragten Investmentmanager, Fondsverwalter und Finanzinstitute messen die Wirksamkeit ihrer Anlagen überhaupt nicht. In einem Bereich, der sich ebendiese Messbarkeit als Alleinstellungsmerkmal zuschreibt, kann man das skandalös finden.

Jeder zieht andere Daten heran

Uneinig sind sich die befragten Impact Investoren auch darüber, welche Daten zur Messung geeignet sind. 61% gaben an, sich auf die Informationen der Unternehmen zu verlassen, während knapp 49% denen externer Datenanbieter vertrauen. Immerhin rund 40% der Impact Investoren ermitteln die Daten selbst und 27% führen nach eigenen Angaben sogar empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit der Geschäftsmodelle durch. Labels und Zertifizierungen werden von 22% als Grundlage für die Messung genutzt.

Impact Investing: Was bringt das wirklich? (2)

Nach welchen Kriterien richten?

Perfekt wird das Chaos durch eine Vielzahl an Rahmenwerken, die inzwischen zur Bewertung der Wirksamkeit herangezogen werden können. Da wäre zum Beispiel die EU-Taxonomie, jene vor Kurzem verabschiedete Verordnung, die bestimmte Standards für nachhaltige Geldanlagen vorgibt. Knapp 40% der Befragten orientieren sich laut der Studie an ihr. Fast genauso viele bewerten anhand der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, wie sie im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft verabschiedet wurden, und ungefähr 36% nutzen IRIS+, das vom GIIN eigens entwickelte Messsystem. Der Großteil der Investoren aber nutzt eigene Metriken und Indikatoren, die in der Studie nicht näher definiert werden.

Impact Investing: Was bringt das wirklich? (3)

Rendite und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus

Wer sein Geld nachhaltig investiert, muss nicht automatisch auf Rendite verzichten, das ist inzwischen allgemein bekannt. Das haben wissenschaftliche Untersuchungen schon vor mehr als 40 Jahren herausgefunden. Eine der umfangreichsten Studien stammt aus dem Jahr 2015 und von den Ökonomen Timo Busch und Alexander Bassen sowie dem Asset Manager Gunnar Friede. Um die Renditechancen nachhaltiger Geldanlagen zu ermitteln, haben die drei insgesamt 2.200 Studienergebnisse der vergangenen Jahrzehnte durchforstet. Das Ergebnis: In 90% der Untersuchungen hat die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit der Unternehmensperformance keinen Abbruch getan. Genauso wäre es falsch zu behaupten, dass Impact Investing per se bessere Renditechancen bietet. Der Bereich wird momentan stark nachgefragt, doch bedeutet das noch nicht, dass die nachhaltigen Anlagen den konventionellen systematisch überlegen wären.

Es ist noch viel zu tun

Nachhaltigkeit und Rendite sind kein Gegensatz mehr, und das ist zunächst einmal großartig. Es gibt einen Markt für nachhaltiges Wirtschaften und für Lösungen, die die Welt verbessern wollen, statt um jeden Preis Profit herauszuschlagen. Trotzdem steht der Markt noch am Anfang seiner Entwicklung. Hinter dem Impact Investing steckt das Versprechen, wirkliche und messbare Veränderung zu bringen. Doch das wird nur erfüllt, wenn Messungen auch tatsächlich stattfinden, nachvollziehbar und transparent sind. Längst gibt es auch im Impact Investing einen Begriff für das „Reinwaschen“ von Unternehmen: Impact-Washing. Investoren müssen sicher gehen können, dass als wirkungsvoll deklarierte Geschäftsmodelle auch tatsächlich wirkungsvoll sind, andernfalls dürften sie auf lange Sicht das Vertrauen verlieren. Regelwerke und einheitliche Standards können dabei helfen, die Wirksamkeit nachzuweisen.

Doch eine Sache können auch sie den Investoren nicht abnehmen: selbst zu definieren, was sie für nachhaltig halten und was nicht. Denn nur weil ein Klassifizierungssystem existiert, heißt das noch nicht, dass jeder Akteur auch damit übereinstimmt. Das zeigt die Entscheidung der EU, auch Gas und Atomkraft in der Taxonomie als „grün“ zu kennzeichnen. Wer sein Geld nicht nur der Rendite wegen anlegen möchte, wird sich deswegen immer zunächst eine eigene Meinung über Nachhaltigkeit bilden müssen.

Außerdem gilt es, und das dürfte in manchem Fall noch wichtiger sein, die Emittenten grüner Produkte genau unter die Lupe zu nehmen. Wer das nicht tut, droht, in den Grauen Kapitalmarkt zu rutschen, der frei von Regulierungen oder regelmäßigen Überwachungen ist. Die Ziele können am Ende noch so redlich oder ambitioniert sein. Wenn das Geld letztlich futsch ist, weil der Anbieter betrogen oder schlecht gemanagt hat, kann es auch keinen positiven Einfluss nehmen.

Impact Investing: Was bringt das wirklich? (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Velia Krajcik

Last Updated:

Views: 5564

Rating: 4.3 / 5 (54 voted)

Reviews: 93% of readers found this page helpful

Author information

Name: Velia Krajcik

Birthday: 1996-07-27

Address: 520 Balistreri Mount, South Armand, OR 60528

Phone: +466880739437

Job: Future Retail Associate

Hobby: Polo, Scouting, Worldbuilding, Cosplaying, Photography, Rowing, Nordic skating

Introduction: My name is Velia Krajcik, I am a handsome, clean, lucky, gleaming, magnificent, proud, glorious person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.